(Auszüge eines Vortrages am 3. Juli 2004 anlässlich des l00jahngen Bestehens)
Der Name des Kindergartens erinnert an dessen Stifter Konrad Reichert, der am 5. Dezember 1899 im Alter von 65 Jahren verstarb.
Namensgeber des Konrad-Reichert Kindergartens
Konrad Reichert wurde 1834 geboren. Er hatte drei Geschwister, einen älteren Bruder Isidor und zwei Schwestern Josefine und Gertrud. Sein Bruder Isidor wurde Schreiner wie sein Vater. Mit 31 Jahren trat Konrad im Jahre 1865 beim 2. Badischen Dragoner-Regiment ein. Er erlebte den Krieg von 1866 und den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 mit den gelben Dragonern. Neben anderen Auszeichnungen erhielt Konrad Reichert auch das eiserne Kreuz. Als Kriegsteilnehmer von 1870/71 ist Konrad Reichert auf dem Denkmal beim Kirchplatz „Der Germania“ an einer Seitenwand festgehalten. Wie in dem Buch „Malscher Antlitz“ von Wilhelm Wildemann auf Seite 188 nachzulesen ist, wurde Konrad Reichert nach seiner Entlassung aus dem Badischen Dragonerregiment als „Leibjäger“ zum persönlichen Dienst beim Kaiser Wilhelm 1 nach Berlin berufen. Dieser fünfjährige Dienst am preußischen Hof spielte sicher eine entscheidende Rolle in der persönlichen Entwicklung des Malscher Schreinersohnes und hat ihm später dann wohl auch die Tür in den badischen Finanzdienst geöffnet. Letzteren beendete er als „Acciser“ (Steuereinnehmer) in Malsch.
Konrad Reichert war verheiratet mit Sabina Reichert geb. Hoffmann, die am 22. Februar 1894 verstarb. Am 18. November 1894 heiratete Konrad Reichert Frau Flora Gräfinger aus Malsch. Beide Ehen blieben kinderlos.
Konrad Reichert war ein vermögender Mann. In seinem am 20.2. 1898 eigenhändig erstellten Testament hat er verfügt, dass sein Vermögen aufgeteilt werden soll. Dort ist u.a. zu lesen:
„Den ersten Teil sollen meine drei Geschwister lsidor, Josefine und Gertrud erhalten.
Der zweite Teil soll zu einer Kleinkinderschule hier verwendet werden.
Der dritte Teil soll zur Ausbesserung bzw. Ausschmückung der Gottesackerkapelle hier verwendet werden.
Meine Kleider sollen unter den hiesigen Ortsarmen verschenkt werden.
Meiner Ehefrau Flora geb. Grafinger bleibt alles bis nach Ihrem Tod und zwar ohne jede Sicherheitsleistung; sodann soll mein Wille vollzogen werden.
Malsch, den 20 Februar 1898"
Nach dem Tod von Konrad Reichert am 5.12.1899 hat seine Ehefrau Flora den Nachlass ihres Mannes, den sie zu lebenslänglicher Nutznießung anzutreten hatte, am 9. Februar 1900 vorzeitig freigegeben. Demnach erhielt der Gemeinderechner für die Errichtung einer Kinderschule 1/3 des zu verteilenden Vermögens, das waren 8140,93 Mark. Den gleichen Betrag bekam der Katholische Heiligenfonds Malsch für die Gottesackerkapelle. Das letzte Drittel erhielten, wie im Testament bestimmt, seine drei Geschwister.
Am 20. Januar 1900 erwarb die Gemeinde Malsch von Karl Leopold Schindler ein Grundstück zum Preis von 2800 Mark, um darauf eine Kinderschule zu erbauen. Die erste Planung einer Kinderschule auf diesem Grundstück datiert aus dem Jahre 1901.
Die Witwe von Konrad Reichert, Flora Reichert geb. Gräfinger, hat mit der Gemeinde Malsch am 4. Juli 1903 folgenden Vertrag abgeschlossen:
§ 1 Konrad Reichert Witwe Flora geb. Gräfinger erstellt mit 10.000,- Mark den Bau einer Kleinkinderschule und zwar unter folgenden Bedingungen.
1. Daß das Haus mitsamt dem Platze worauf es steht nur Kleinkinderschule und Schwesternwohnung sein und keinem anderen Zwecke dienen darf.
2. Die Kleinkinderschule muß geleitet werden von Schwestern einer Katholischen Kongregation unter Aufsicht des jeweiligen katholischen Pfarrers von hier, sowie des hiesigen Gemeinderats.
§ 2 Die unter § 1 gestellten Bedingungen müssen in das Grundbuch eingetragen werden.
§ 3 Die Gemeinde verpflichtet sich für alle Kosten, für die Einrichtung des Hauses sobald diese mit den Baukosten 10.000,-Mark überschreiten, einzustehen.
§ 4 Die Gemeinde als Eigentümerin sorgt für den Fortbestand der Anstalt.
Dieser Vertrag wurde vom Gemeinderat und Frau Reichert am 4. Juli 1903 unterzeichnet. Anhand der gezahlten Teilbeträge von Frau Reichert, kann man davon ausgehen, dass mit dem Bau der Kinderschule im Jahre 1903 begonnen wurde.
Der Gemeinderat hat dann — wie im Vertrag mit Frau Reichert gefordert — einen Vertrag mit der Kongregation der Barmherzigen Schwestern des III. Ordens vom Heiligen Franziskus in Gengenbach am 17.6.1904 abgeschlossen. Die Schwestern dieses Ordens wirkten bereits seit 1890 segensvoll im Spital in Malsch. Mit diesem Vertrag, der für die Kongregation von Stadtpfarrer Theodor Burger aus Gengenbach unterzeichnet wurde, begann die fruchtbare und segensreiche Tätigkeit von insgesamt 39 Gengenbacher Schwestern auch in unserer Kinderschule.
Laut diesem Vertrag verpflichtete sich der Orden, zwei Schwestern für die Kinderschule der Gemeinde Malsch zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde verpflichtete sich, für Unterkunft und Verpflegung der Schwestern zu sorgen. Der Mutter Oberin blieb das Recht, den Wechsel der Schwestern vorzunehmen. Die Schwestern hatten den Anordnungen der Gemeinde zu folgen, sofern diese nicht gegen die Ordensregeln verstoßen.
Die erste Schwester im Malscher Kindergarten war Schwester Georgia, die vom 1.7.1904 bis zum 29.9.1905 in Malsch wirkte. Ab dem 13.10.1906 waren dann zwei Schwestern im Kindergarten beschäftigt. In der Gemeinderatssitzung vom 6.3.1916 wurde beschlossen, dass an der hiesigen Kinderschule eine dritte Schwester eingestellt wird. Am längsten — und vielen Malscher Bürgern noch bekannt — waren die beiden Kinderschwestern Arsenia und Engelberta, die 23 Jahre bzw. 17 Jahre in Malsch tätig waren. Schwester Haduiges war die letzte Kinderschwester aus Gegenbach, die vom 1.9.1969 bis zum 5.1.1977 in Kindergarten wirkte.
Aber auch einige Kindergärtnerinnen aus Malsch fanden über ihre Tätigkeit im Kindergarten den Weg ins Kloster nach Gengenbach.
Mit Beginn der Kinderschule am 1.7.1904 hat der Gemeinderat beschlossen, dass für jedes Kind unter 3 Jahren 15 Pfennig pro Woche und für jedes Kind über 3 Jahren 10 Pfennig pro Woche Schulgeld erhoben wird. Es gab aber auch Zeiten in der wechselvollen Geschichte dieses Kindergartens, in denen das Schulgeld auf 2000,- Mark pro Kind und Woche festgesetzt wurde. Dies war in den schlimmen Jahren der Inflationszeit Ende 1923 der Fall.
Dass der Kindergarten von der Malscher Bevölkerung angenommen wurde, zeigen die vielen historischen Aufnahmen der ersten Jahre.
Flora Reichert ist am 1.3.1924 verstorben. Ein Monat vor Ihrem Tod hat Frau Reichert in einem Dorftestament — dies ist ein Nottestament vor dem Bürgermeister — am 31.1.1924 die Bestimmung getroffen, dass neben anderen Regelungen der Versteigerungserlös für ihr Wohnhaus mit Garten und ihrer weiteren Grundstücke nach ihrem Tod die Kinderschule bekommen soll. Von den Zinserträgen dieses Geldes sollen alljährlich an Weihnachten die Kinder beschert werden. Zu diesem Zweck wurde ein Konto mit einem Guthaben von 9265,46 RM eingerichtet.
Das 100jährige Jubiläum des Konrad-Reichert-Kindergartens bietet die Gelegenheit, dem Stifter-Ehepaar Reichert sowie den 39 barmherzigen Schwestern zu danken, die viele Malscher Bürger auf die Schule und das Leben vorbereitet haben.
Josef Bechler (Telefon 8338)