Pfarrer Riehle - ein Zeuge des Jahrhunderts

In ihrer »Geschichte des Dorfes Malsch« hat Lore Ernst Zeugnis vom Kriegsende und den schlimmen Nachkriegsjahren gegeben. In einer -Jahrzehnte danach aufgefundenen, bisher unveröffentlichten - Pfarrchronik hat auch Geistl. Rat Karl Riehle die Ereignisse und Geschehnisse jener schweren Zeiten festgehalten. Sie werden nachfolgend also - gekürzt um den pastoralen Teil - von einem weiteren »Zeugen des Jahrhunderts« dargestellt.

 

20. Juli 1943

Am Morgen dichter, grauer Nebel, allmählich unheimlich schwül. Um 5.00 Uhr nachmittags brach ein furchtbar heftiges Gewitter herein. Es kam über das Gebirge her und entlud sich vor allem auf der Gemarkung Waldprechtsweier. Eine halbe Stunde lang Sturm und  Hagel, Eisbrocken größer als ein Taubenei. In Waldprechtsweier wurde die Ernte größtenteils vernichtet, das Obst von den reichlich behangenen Bäumen abgerissen, große Bäume zerrissen oder entwurzelt. Auf Feldern und Wiesen war alles wie gewalzt. Der Schaden ist noch nicht übersehbar, die Leute sind mutlos und halb verzweifelt. Ob darin nicht eine Heimsuchung zu sehen ist für die so bedenkenlos verübte Sonntagsentheiligung! In Malsch wurde etwa die halbe Gemarkung bis zur Bahnlinie getroffen. Auch hier sind die Schäden, namentlich in den Gärten, sehr groß, doch bei weitem nicht so wie in Waldprechtsweier.

 

Silvesterabend 1943

 Das Jahr 1943 geht zu Ende. Gott sei Dank sind viele schlimme Befürchtungen, die man hegte, nicht wahr geworden. Wir blieben vor Fliegerschäden bewahrt und auch vor anderen außerordentlich schweren Unglücksfällen, wenn man von dem Hagelwetter absieht.

 

1. Januar 1944

 Am 1. Januar fiel in Kroatien im Kampf gegen die Partisanen Bürgermeister Georg Hornberger. Er war Protestant, seine Frau katholisch, die Kinder der protestantisch getrauten Familie protestantisch. Seine Einstellung der kath. Kirche gegenüber aber war stets entgegenkommend, selbst freundlich. Der Verlust ist sehr bedauerlich.

 

9. und 10. April 1944

Am Montag, dem 9. April. erfolgte in den Nachmittagsstunden wieder ein Angriff. Diesmal brannten etwa zwölf Scheunen im Ortsteil „Neudörfchen“ nieder. Ein Mann wurde tödlich getroffen. In der Nacht vom Montag auf Dienstag setzte wieder Artilleriefeuer ein, das in vielen Häusern schwere Schäden verursachte. Menschenleben waren nicht zu beklagen. Alle brachten die Nacht in den Kellern zu.

In   den   Nachmittagsstunden   des   Dienstag,   10.   April,   gab   es   plötzlich   ein   Bombardement   mit Splitterbomben.  In  unmittelbarer  Nähe  des  Pfarrhauses  gingen welche  nieder.  Alle  Fensterscheiben wurden demoliert, das Dach blieb gut, auch die Kirche kam gut davon. Eine Scheune brannte nieder. Die ganze Umgebung von Kirche und Pfarrhaus war in eine dichte Rauch- und Staubwolke gehüllt. Zwei Männer, drei Frauen und ein Kind mussten bei diesem Angriff ihr Leben lassen. Der Abend des Tages war unheimlich still. Vereinzelt hörte man aus dem Wald Artillerie- und Maschinengewehrfeuer. „Der Feind steht am Ortseingang“ von Freiolsheim und Völkersbach. In banger Erwartung wird der kommende Tag erwartet. „Malsch soll bis aufs Äußerste verteidigt werden“, das war geplant. Es wurde viel gebetet.

 

5. September 1944

Opfer von Terrorangriffen am 5. 9. 1944 Werkm. Franz Bechler im Alter von 63 Jahren, langjähriger Gemeinderat der Sozialdemokratischen Partei, wurde am Karlsruher Bahnhof (Hauptwerkstätte) in einem Bunker, wo er bei einem Fliegerangriff Schutz suchte, getroffen und war sofort tot. Mit ihm Schreiner Josef Schweigert. 53 Jahre alt, und Festhallenwirt Johannes Speck im Alter von 34 Jahren. Alle drei wurden auf dem hiesigen Friedhof ehrenvoll beerdigt

 

10. September 1944

Bei einem Fliegerangriff auf Gaggenau am 10. 9 -14 wurde tödlich getroffen Frau Gertrud Mors zusammen mit ihrem acht Monate alten Kinde. Sie war z. Zt. des Angriffs bei ihren Eltern in Gaggenau und wurde dort auch beerdigt. Den Opfern der Fliegerangriffe wurden kirchlicherseits stets dieselben Ehrungen erwiesen wie den Gefallenen.

 

17. November 1944

Glück im Unglück hatte Malsch am Freitag. 17. November 1944. In den Nachmittagsstunden fand ein Luftkampf zwischen deutschen und amerikanischen Jagdflug­zeugen statt, wobei eine deutsche Maschine mitten im Ort abstürzte. Sie fiel in einen kleinen Garten der rings von Häusern umgeben war. Nur ein Schuppen geriet in Brand. Mehr Sachschaden entstand in den »Neuwiesen«. Dort warf eines der amerikanischen Flugzeuge zwei Sprengbomben in unmittelbarer Nähe der letzten Häuser, deren Dächer zum Teil abgedeckt, Türen und Fens­ter zertrümmert wurden. Ein Haus (Buhlinger Nr. 9) musste geräumt werden. Man kann sagen: Wie durch ein Wunder ist größeres Unheil verhindert worden, vor allem kein Menschenleben ist zu Schaden gekom­men. Gott sei Lob und Dank! Das hochhl. Weihnachtsfest konnte herkömmlich gefeiert werden. In der Hirtenmesse spielte eine Musikkapelle, die hier einquartiert war. Das Hochamt erlitt insofern eine gewisse Störung, da einige Kampf­flugzeuge über uns kreisten.

 

11. April 1945

Mittwoch. den 11. April: Französische Soldaten bewegen sich vorsichtig durch die Straßen. Es fällt kein Schuss. Der Volkssturm ist abgerückt in Richtung Waldprechtsweier. Noch einmal fallen Bomben und fordern unter den Franzosen drei Menschenleben, man hatte noch keine Information darüber, dass Malsch kampflos in französische Hände gefallen war. Nun wurden weiße Tücher auf den Boden gelegt. Malsch war nun besetzt. Kein Mensch wagte zu hoffen, dass alles so gut ablaufen werde. War doch das Urteil gefällt: Auf der einen Seite sturmreif machen mit etwa 200 Flugzeugen auf deutscher Seite: Artillerie-Trommelfeuer. Der Schlachtenlenker über uns hatte einen anderen Plan. Ihm sei Lob und Dank!

In den Nachmittagsstunden kam es da und dort zu Plünderungen, besonders in Geschäftshäusern. Der reichliche Genuss von Wein war bei Soldaten und russischen Arbeitern und Arbeiterinnen von Einfluss. Aber auch ein Teil der Bevölkerung glaubte, die Gelegenheit ausnutzen zu dürfen. Das Verhalten vieler war gar nicht schön, am wenigsten christlich. Mitbestimmend war schließlich die Tatsache, dass in letzter Zeit kaum Wein zu erhalten war, da 80% des Bestandes für die Wehrmacht beschlagnahmt war, auch wurde überall mit  der Abgabe der Restbestände zurückgehalten. So machte sich die Unzufriedenheit durch Räubereien Luft.

 

Die französischen Soldaten kamen als Eroberer und als Rächer für die von der deutschen SS in Frankreich begangenen Gräueltaten.  Es waren lauter junge Freiwillige, doch die allermeisten hielten sich in der Gewalt  und erklärten,  doch nicht  so grausam  handeln  zu wollen  wie  die  Deutsche  SS; sie  seien  als Franzosen vornehmer und katholisch. Fast alle trugen eine Medaille bei sich. Gegenüber der Geistlichkeit waren alle nobel. In der Kirche, die in zwei Nächten nicht geschlossen wurde, war alles intakt geblieben. Exzesse sind in einzelnen Häusern wohl vorgekommen. Was sehr zu bedauern war. Doch im Allgemeinen ging die Besetzung des Dorfes Malsch in Ordnung vor sich. Wesentlichen Anteil an dem günstigen Verlauf hatten die beiden elsässischen Lehrer Hptl. Charton und Rektor Schneider, auch einige franz. Kriegsgefangene, die hier seit Jahren untergebracht waren und eine gute Behandlung erfahren hatten, zeigten sich recht dankbar.

  Wilhelm Wildemann

 

Augenzeugenbericht der Befreiung durch die Franzosen am 11. April 1944 durch einen 12jährigen. Hier klicken ...

 

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