„Die Nähschule“


Nähschule 1918 Klasse vor der Hebelschule
Nähschule 1918 Klasse vor der Hebelschule

Die Nähschule in Malsch wurde von Pfarrer Julius Berberich am 14. Oktober 1914 gegründet. Die Schule war immer eine karitative Einrichtung der hiesigen katholischen Kirche.

 

In Anerkennung des hohen Nutzens einer derartigen Einrichtung hatte man die Gründung und den Betrieb der Schule von der damaligen Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Karl Deubel wohlwollend unterstützt. So war in den Anfangsjahren die Vereinbarung getroffen worden, dass die Gemeinde die Kosten für den Saal, die Heizung und das Licht trägt, während die Kosten für die Nähschwestern und für das Inventar aus den Beiträgen der Nähschulbesucherinnen zu bestreiten waren.

Dem katholischen Pfarramt wurde am 12. September 1923 durch das Kultus- und Unterrichtsministerium die Erlaubnis zur Errichtung einer Nähschule unter der Voraussetzung erteilt, dass sich der Unterricht lediglich auf Unterweisungen im Nähen, Flicken und Anfertigen sonstiger Handarbeiten für Mädchen und Frauen zum hauswirtschaftlichen Gebrauch erstreckt. Die gleichzeitige Annahme und Ausbildung von Lehrmädchen zur Ausbildung im Schneiderinnen- oder Weißzeugnäherinnen- Handwerk wurde nicht gestattet.

 

In den ersten Jahren war die Nähschule im Rathaussaal, ab dem Jahre 1918 im dritten Stock des Rathauses in zwei Zimmern untergebracht. Im Jahre 1925 wurde die Nähschule in den Saal des Gasthauses „Ochsen“ verlegt, nachdem die Gemeinde die bisherigen Räumlichkeiten für eigene Zwecke benötigte.

 

Ein weiterer Umzug erfolgte im Jahre 1926 in den „Adler-Saal“. Unter der Leitung von Schwester Pelagia war dort die tägliche Arbeitszeit von 8h30 bis 11h30 Uhr und von 13h30 bis 17h30 Uhr festgelegt. Jedes Mädchen hatte pro Monat sechs Reichsmark zu zahlen. Wie die damalige Nähschülerin, Frau Berta Kohm (geboren am 18. September 1914, wohnhaft in der Dr.-Eugen-Essig-Str.64) festgehalten hat, war der Besuch der Nähschule wie folgt geregelt:

 

„Im Adler-Saal standen vier Nähmaschinen den Mädchen und Frauen zur Verfügung. Die Nähschule war vor- und nachmittags geöffnet. Besuchen konnte man die Nähschule wann man wollte. Bezahlt werden musste nur die Zeit, welche die Schwester z.B. für das Schneiden des Stoffes aufzuwenden hatte. Das anschließende Nähen des zugeschnittenen Stoffes mit einer der vorhandenen Nähmaschinen wurde nicht berechnet. Der zu entrichtende Beitrag war günstig. Der Nähschwester half in den dreißiger Jahren Frau Theresia Zimmer („Ölpeters-Theres“). Die Stoffe mussten die Mädchen bzw. die Frauen von zu Hause mitbringen. Die Nähschwester hatte eine große Auswahl an Schnittmustern zur Verfügung. Man lernte dort das Nähen von Kleidern, Hemden, Unterröcken und ähnlichem. Die Nähschule war immer gut besucht. Zur Nähschule kamen im Regelfall die Mädchen, welche die Volksschule absolviert hatten und noch nicht in Stellung waren. Die Nähschule wurde aber auch von verheirateten Frauen aufgesucht um sich z.B. ein Kleid zuschneiden zu lassen, oder bestimmte Techniken des Nähens  zu erlernen.

Die Nähschwester erledigte gegen Bezahlung auch Fremdaufträge. Mädchen die keine Anstellung fanden halfen ihr dabei. Diese Mädchen hatten allerdings feste Arbeitszeiten einzuhalten.“

 

 

Das neben stehende Bild entstand etwa um das Jahr 1930. Die Nähschülerin und Zeitzeugin Berta Kohm ist in der unteren Reihe als zweite von rechts zu erkennen. Die zweite Frau in der oberen Reihe von links ist die um einige Jahre ältere Franziska Kastner („Hobeles- Fränz’l“).

 

Ende 1925 wurde Architekt Josef Reichert von der Gemeinde beauftragt, eine Koch- und Nähschule für die Gemeinde Malsch zu bauen. Der bereits fertige Plan mit errechneten Baukosten von 14.060,90 Mark wurde jedoch nicht verwirklicht. Die Koch- und Nähschule sollte auf dem Gelände des Kindergartens entstehen.

Durch den geplanten Bau und der weiteren Aufwertung der Nähschule fürchteten die acht hiesigen Näherinnen um ihre Existenz. In einem gemeinsamen Schreiben vom Februar 1928 an die Handwerkskammer Karlsruhe baten sie um Unterstützung. In dem Beschwerde-Brief wurde u. a. ausgeführt, dass die 60 Mädchen welche die Schule besuchen, sämtliche Kleidung selbst anfertigen und dadurch den Näherinnen einen erheblichen Schaden zugefügt wird.

 

Im Jahre 1931 zog die Nähschule in das neu gebaute Theresienhaus um. Pfarrer Karl Riehle bat mit einem Schreiben vom Juli 1931 den Gemeinderat, aufgrund der gegebenen räumlichen Veränderungen der Nähschule als Unterstützung einen jährlichen Pauschalbetrag zu gewähren. Aufgrund dieses Schreibens wurde als Zuschuss ein Betrag von jährlich 300,00 Reichsmark von der Gemeinde bewilligt.

 

Nachdem zwei Gemeinderäte im Jahre 1933 den Antrag eingebracht hatten, den jährlichen Zuschuss von 300,00 RM aufzuheben, wurde von Pfarrer Riehle mit Schreiben vom Juni 1933 darauf hingewiesen, dass der Gemeinde durch die Übernahme der Nähschule große Ausgaben erspart geblieben sind.

 

Während des Krieges war teilweise das Theresienhaus vom Militär besetzt. In dieser Zeit war der Betrieb der Nähschule eingestellt. Nach dem Krieg wurde die Nähschule unter der Schwester Obizia wieder weitergeführt.

 

Alle in der Nähschule tätigen Schwestern kamen aus dem in Gengenbach ansässigen Orden der „Barmherzigen Schwestern des III. Ordens vom heiligen Franziskus.“ Diese Schwestern wirkten bereits segensvoll seit 1890 im Spital und seit 1904 im Konrad-Reichert-Kindergarten in Malsch. Die Schwester Callistuata und Schwester Mavighila waren die beiden letzten von insgesamt 40 Nähschwestern, die in der Nähschule Malsch unterrichteten.

 

Die Nähschule Malsch wurde unter Pfarrer Anton Böhe am 1. Juli 1957 aufgelöst, nachdem der Besuch stark abgenommen hatte.

 

 

Josef Bechler

Heimatfreunde Malsch