„Die Fohlenweide“


Plan der Schutz- und Fütterungshalle
Plan der Schutz- und Fütterungshalle

Der Gemeinderat Malsch hatte auf Ersuchen einiger Bürger und Pferdebesitzer in der Sitzung vom Januar 1855 beschlossen, dass zur Förderung der Pferdezucht in

Malsch eine Fohlenweide errichtet werden soll. Hierzu waren bei der Verteilung der Allmendegüter etwa 2 Morgen (72 Ar) Wiesen zu reservieren.

 

Bei der anschließenden Gemeinde-Versammlung im Februar 1855 stimmten von 64 stimmberechtigten Bürgern nur acht gegen die Errichtung einer Fohlenweide in Malsch. Unsere Gemeinde hatte in jener Zeit im Großherzogtum Baden schon eine gewisse Bedeutung in der Fohlenzucht. Von den insgesamt 1927 Fohlengeburten in Baden im Jahre 1859/1860 fielen alleine 59 auf unsere Gemeinde.

 

Die Verantwortlichen einer Ortsbereisung von Malsch im Auftrag des Großherzoglichen Bezirksamtes Ettlingen im Jahre 1880 waren der Meinung, dass auf der bestehenden Fohlenweide eine Schutz- und Fütterungshalle errichtet werden sollte. Als Grund nannte man die häufige Benutzung der Fohlenweide und die gestiegenen Pferdepreise. Man war der Meinung, dass durch den Bau einer Halle die Pferdezucht in Malsch wesentlich erweitert werden könnte. Weiterhin hätte man die Möglichkeit, die Fohlen über Mittag auf der Fohlenweide zu lassen und abends wieder in die Ställe zu bringen. Die Mittel zur Errichtung einer solchen Schutz- und Futterhalle könnten durch die Pferdezüchter und den landwirtschaftlichen Verein aufgebracht werden, sofern die Gemeinde aus dem Gemeindewald das notwendige Bauholz dazu kostenlos abgeben würde.

 

Der Gemeinderat wurde vom Großherzoglichen Bezirksamt in Ettlingen auch davon unterrichtet, dass es möglich wäre, durch den Bau einer Schutz- und Fütterungshalle

die Genehmigung für einen Fohlenmarkt zu bekommen. Dies würde den vorteilhaften Verkauf von Pferden bedeutend erhöhen. Ein Fohlenmarkt unter freiem Himmel und ohne Sicherung der Käufer und Verkäufer gegen die Witterung wäre jedoch nicht zu verantworten. 

 

Um für unsere Gemeinde die Genehmigung zu Abhaltung eines Fohlenmarktes zu bekommen, wurde im Juli 1881 mit der neu gebildeten, aus neun Personen bestehenden Fohlenmarkt-Kommission folgender Vertrag abgeschlossen:

 

Vertrag

 

Zwischen dem Gemeinderat Malsch und der Fohlen-Kommission daselbst ist heute folgender Vertrag abgeschlossen worden:

 

  1. Auf der Fohlenweide wird mit Einverständnis des Gemeinderats von der Fohlenmarkt-Kommission eine so genannte Unterstandshalle errichtet.
  2. Das Holz zu dieser Halle wird durch Beschluss des Gemeinderats aus dem Gemeindewald unentgeltlich verabreicht.
  3. Sämtliche Baukosten übernimmt die Fohlenmarkt-Kommission.
  4. Die Unterhaltungskosten der Halle, die Steuern, Abgaben und Umlagen übernimmt die Gemeinde und zwar vom 4. Juli 1881.
  5. Die Fohlenmarkt-Kommission hat das Recht, diese Halle zehn Jahre lang von 1881 bis einschließlich 1890 unentgeltlich zu benützen; mit dem Jahre 1891 wird dieselbe Eigentum der Gemeinde und steht zu deren freien Verfügung.
  6. Die Fohlenmarkt-Kommission veranstaltet und leitet auf ihre Kosten innerhalb von den 10 Jahren die Fohlenmärkte; die etwaigen Einnahmen durch Festsetzung und Einzug der Standgeldbeträge sowie durch Veranstaltungen von Lotterien verbleiben der Kommission; mit 1891 gehen diese Begünstigungen auf die Gemeinde über.
  7. Stirbt eines der Kommissionsmitglieder, so haben dessen Angehörigen das Recht (mit nur einer Stimme) in seine Stelle einzutreten.

 

Dieser Vertrag wurde doppelt ausgefertigt, von beiden Beteiligten unterschrieben und jedem ein Exemplar ausgehändigt.

 

Malsch, den 1. Juli 1881

 

Der Gemeinderat:        

Die Kommission:

 

 Am 2. Mai 1881 wurde vom Innenministerium Karlsruhe der Gemeinde Malsch die Genehmigung erteilt, jeweils am ersten Montag des Monats Juli jeden Jahres ein Fohlenmarkt durchzuführen. Die Genehmigung wurde auch deshalb erteilt, weil in der weiteren Umgebung von Malsch bisher keine Fohlenmärkte abgehalten wurden. Der Bitte, dass der Fohlenmarkt zu einem allgemeinen Pferdemarkt ausgebaut und auf den ersten Dienstag im Juli verlegt wird, wurde im Januar 1884 entsprochen. 

 

In den Folgejahren war die Pferdezucht in Malsch stark rückläufig. Aus Mangel eines Wärters wurde die Fohlenweide 1889 nur noch an Sonn- und Feiertagen benutzt. Von den ursprünglich 58 Mitgliedern des Pferdezuchtvereins blieben Ende 1892 nur noch 5 Mitglieder übrig.

 

Ab dem Jahre 1900 sah man auf der Fohlenweide auch Pferde anderer Art, nämlich Turnpferde. 

Turnfest 1900 auf der Fohlenweide mit drei Turnpferden
Turnfest 1900 auf der Fohlenweide mit drei Turnpferden

Wie im Buch „Malscher Leben“ von Wilhelm Wildemann ausgeführt, fand im Jahre 1900 auf der Fohlenweide das erste große Turnfest mit Fahnenweihe des 1897 gegründeten Turnvereins Malsch statt.

 

Die ersten Fußballspiele des 1910 gegründeten FV Malsch fanden ebenfalls auf der Fohlenweide statt, die aber regelmäßig von den Pferdebesitzern boykottiert wurden.

 

Auch die im Jahre 1926 neu gegründete Handballabteilung des Turnvereins Malsch absolvierte ihre Verbandsspiele auf der Fohlenweide, wie im Gemeinde-Anzeiger vom 12. Juni 1926 zu ersehen ist.

  

Heute können sich nur noch die älteren Mitbürger aus Malsch an die Fohlenweide erinnern. Leider verschwindet auch dieser Begriff immer mehr aus unserem örtlichen Sprachschatz.

  

 

Josef Bechler

Gemeinde-Anzeiger vom 12. Juni 1926   
Gemeinde-Anzeiger vom 12. Juni 1926