Ortsteil Waldprechtsweier


100 Jahre Rathaus Waldprechtsweier

Das Rathaus des Ortsteils Waldprechtsweier kann auf sein hundertjähriges Baujubiläum zurückblicken.
Die Bestrebungen, das alte marode Rathaus umzubauen, reichen bereits in die neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Die damals durch das Bezirksamt Rastatt durchgeführten Gemeinedevisitationen kamen zu dem Ergebnis, dass es "einer wohlhabenden Gemeinde wie Waldprechtsweier" geziemt, ein repräsentatives Rathaus zu besitzen. Die Lehrerwohnungen, die zu dieser Zeit noch im Obergeschoss des alten Rathauses untergebracht waren, befanden sich in einem derart schlechten Zustand, der sie gänzlich unbewohnbar  machte. 
Im Jahre 1901 nahmen die Umbaupläne konkrete Formen an. Der Gernsbacher Architekt R. Laule (vermutlich ein Mitarbeiter der dortigen Bezirksbauinspektion) wurde mit der Erstellung der Baupläne beauftragt. Die Fassade wurde im (Neu)-Renaissancestil geplant. Dafür dürfte ihn das alte Renaissance-Rathaus in Gernsbach angeregt haben.
Am 19. August 1901 wurden die eingereichten Pläne durch das Bezirksamt Rastatt genehmigt und gleichzeitig die Bezirksbauinspektion Gernsbach mit der Durchführung der Bauleitung beauftragt. Die Grundmauern des alten Rathauses wurden in den Umbau integriert. Die hier befindliche Spritzenremise, die die Gerätschaften der Pflichtfeuerwehr enthielt und einen Lagerraum, der schon in der Planungsphase als Kelterraum ausgewiesen war, sollten erhalten bleiben. Ebenso erfuhr die bereits als Anbau bestehende Obstmühle keine Änderung. Neugestaltet wurden auf dieser Ebene der Zugangsbereich zu der oberen Etage, sowie die Wachstube und der Arrestraum. Die Wachstube diente dem Ortspolizeidiener als Aufenthaltsraum. Die Arrestzelle hatte in erster Linie die Funktion als Ausnüchterungsraum . Eventuell konnte auch eine kleine Haftstrafe, die von dem Gemeindegericht ausgesprochen wurde, vollstreckt werden. Belege über Inhaftierungen fanden sich im Gemeindearchiv allerdings nicht. Lediglich sperrte die französische Besatzungsmacht 1945 einige rüpelhafte Jugendliche eine Nacht lang ein. Völlig neu geplant wurde der 1. Stock, der die eigentliche Gemeindeverwaltung mit Ratsstube, Grundbuchamt und Bürgersaal enthalten sollte. Der Kostenvoranschlag für den Umbau belief sich auf 9.966,62 Reichsmark. Noch im selben Jahr wurde mit dem Abtrag des alten Gebäudes bzw. dem Neubau begonnen. Im Spätjahr 1902 erfolgte die Fertigstellung des Baus. Eine Schlussrechnung konnte im Gemeindearchiv leider nicht ermittelt werden.
Vermutlich 1910/11 sollte bereits ein Anbau, der das Grundbuchamt enthalten sollte, erstellt werden. Mit der Durchführung wurde wiederum Architekt Laule beauftragt. Die Umbaupläne sind dem Ausbruch des 1. Weltkrieges zum Opfer gefallen.
Einen Einschnitt in der Organisation der Gemeindeverwaltung brachte die Zeit des Nationalsozialismus. Unmittelbar nach der sogenannten Machterhebung erging vom badischen Innenministerium die Anweisung, dass an den Amtsketten  "ein silberner Ring mit Hakenkreuz als Zeichen des neuen Staates" zu tragen sei. Der Kommissar
des Reichs (später Gauleiter) Robert Wagner ermächtigte im März 1933 die Bezirksämter, politisch unliebsame Bürgermeister in den Zwangsurlaub zu schicken bzw. durch ein geeignetes Mitglied des Gemeinderates ersetzen zu lassen. In seiner Sitzung am 18, März 1933 erklärte der Gemeinderat einstimmig, dass der bisherige Bürgermeister Durm seinen Dienst weiter ausführen sollte. 

Im Jahre 1938 wurde im 1. Stock ein Obstkelter erstellt. Hierzu musste die neugegründete Freiwillige Feuerwehr in die alte Kapelle, die zukünftig als Gerätehaus diente, umziehen. Der Anbau der alten ObstkeIter  wurde daraufhin abgerissen. In den fünfziger Jahren wurde dieser Zustand wieder umgedreht. Ab jetzt wurde in der alten Kapelle gekeltert und die Spritzenremise wieder im Rathaus untergebracht bis Ende der sechziger Jahre der Feuerwehr abermals die alte Kapelle als Gerätehaus zugewiesen wurde.
Mit der Besetzung des Dorfes durch die Franzosen am Abend des 10. Aprils 1945 diente das Rathaus kurze Zeit als Ortskommandantur. Am 9. August 1945 wurde Waldprechtsweier der Militärkontrolle des Kommandanten der Zone Michelbach zugeteilt. Noch im selben Jahr erfolgte die Zuteilung zur Kommandantur Muggensturm. Somit konnte die gemeindliche Selbstverwaltung in ihren eigenen Räumen wieder die Dienstgeschäfte erledigen.
Durch die Vereinbarung  über die Eingliederung der Gemeinde Waldprechtsweier in die Gemeinde Malsch  wurde das Rathaus zur Ortsverwaltung.

Manfred Hennhöfer