Gedenken an die Progromnacht in Malsch 10.11.2018

 

Gut besucht war die von der Gemeinde Malsch und den Heimatfreunden getragene Gedenkfeier zum 80sten Jahrestag der Pogromnacht in Malsch. Nach den Grußworten des Vorsitzenden der Heimatfreunde Donald Werthwein stellte Bürgermeister-Stellvertreter Werner Scherer im Namen der Gemeinde eine Blumenschale am Gedenkstein in der Hauptstraße ab. Hier wurde am 10. November 1938 die Malscher Synagoge niedergebrannt.

 

Es folgte eine Schweigeminute für die jüdischen Opfer, die in den Jahren danach getötet wurden. Insgesamt 25 Malscher und 42 in Malsch geborene Juden wurden umgebracht. Donald Werthwein zitierte aus Louis Maiers Buch, wie die Synagoge einmal ausgestattet war und wie der 10. November 1938 in unserem Ort ablief. In seinen Schlussworten rief er zur Wachsamkeit gegenüber jedem Versuch, Intoleranz, Hass und Gewalt zu verbreiten, auf.

 

Bilder mit Klick vergrößern.Weiter unten ein ausführlicher Bericht.


Erinnerung an die Progromnacht 1938

Die Synagoge zu Malsch
Die Synagoge zu Malsch

Josef Bechler erinnerte in einem Vortrag an die Reichspogromnacht 1938 in Malsch

 

 Einsatz für fremde SA-Männer

Groß war das Interesse an einem Vortrag, den der Mitbegründer und langjäh­rige frühere Vorsitzende der Heimatfreunde Matsch, Josef Bechler, am 10. November 2013 anlässlich des 75. Jahresta­ges der Reichspogromnacht im Theresienhaus hielt. Rund 200 Zuhörer erfuhren, dass die Synagoge in Malsch erst am Abend des 10. November 1938 brannte - und dass die Feuerwehr, die vorher über den dortigen Einsatz infor­miert war, vor allem bestrebt war, ein Übergreifen des Brandes auf die Nachbarhäuser zu verhindern.

Erst vor wenigen Tage habe er, so berichtete Josef Bechler in seinem Vortrag, mit Fred Loeb, dem wahrscheinlich letzten noch lebenden ehemaligen Malscher Mitbürger jüdischen Glaubens telefoniert. Er verließ Matsch 14-jährig im Jahr 1939, lebt heute in den USA und kann sich noch gut an die Geschehnisse in Malsch am 9. und 10. November 1938 erinnern. Seine Schilderungen deckten sich, erzählte Josef Bechler, mit den Erinnerungen vieler anderer Zeitzeugen. Etliche von ihnen seien inzwischen verstorben, aber er habe ihre Schilderungen noch zu Lebzeiten aufzeichnen können.

Vom Druck, der im Jahr 1938 in ganz Deutschland durch die antijüdischen Gesetze und Verordnungen erhöht wurde und der auch in Malsch zum Ziel hatte, die wirtschaftliche Grundlage der jüdischen Mitbürger zu zerstören, berichtete Josef Bechler. Die „Registrierungs- und Kennzeichnungspflicht für jüdische Gewerbetriebe" und das „Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich" vom 6. Juli 1938 sorgten dafür, dass es in Malsch Ende 1938 kein jüdisches Geschäft mehr gab. Bis Anfang 1939 gingen beim Bürgermeisteramt in Matsch 16 Gewerbeabmeldungen von Malscher Juden ein.

Wie schon sein Vater L eo wurde der Malscher Jude Josua Gabel Rabbi und lebt heute in Rechasim/lsrael.  Das Schicksal seiner Eltern bedeutet für Ihn auch noch immer eine „klaffende Wunde ". Foto: privat
Wie schon sein Vater L eo wurde der Malscher Jude Josua Gabel Rabbi und lebt heute in Rechasim/lsrael. Das Schicksal seiner Eltern bedeutet für Ihn auch noch immer eine „klaffende Wunde ". Foto: privat

Es habe, so die Überzeugung von Josef Bechler, in der jüdischen Geschichte während des Dritten Reiches fast kein Ereignis gegeben, bei dem nicht auch ein Malscher Jude betroffen gewesen seien. So betraf etwa die Abschiebung polnischer Juden im Oktober 1938 in Malsch die Familie des Religionslehrers Leo Gabel, seiner Frau Lotte und des Sohnes Josua. Dieser überlebte dank fürsorglicher Menschen, die ihn versteckten, und lebt heute als Rabbi in Israel. Wie er den Heimatfreunden Malsch mitteilte, bedeutet der Verlust der Eltern, die wahrscheinlich in einem der Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka oder Majdanek umgekommen sind, bis heute ein „klaffende Wunde".

In Baden seien im Zuge der Reichspogromnacht sechs Synagogen gesprengt worden, 23 verbrannt und 61

völlig demoliert worden. Wiederaufgebaut werden durften sie nicht. Die Malscher Synagoge wurde am Vormittag des 10. November 1938 zerstört. Eine Schulklasse, die, angeführt von ihrem Lehrer, dorthin unterwegs war, um sich an der Zerstörung zu beteiligen, fand am Ort des Geschehens zahlreiche Schaulustige vor, aber auch schon umfangreiche Zerstörungen.

 

Nachdem die Malscher SA-­Leute es abgelehnt hatten, die Synagoge in Malsch zu zerstören, übernahm diese schreckliche Tat der SA-Sturm 3/311 aus Kuppenheim, nachdem dieser vorher die dortige Synagoge verwüstet hatte. Die SA-Leute waren auch für weitere Zerstörungen von Wohnungen und Geschäftshäuser Malscher Juden verantwortlich. Im sonst detailliert geführten Protokollbuch der Feuerwehr sei, so Josef Bechler, über den Einsatz der Malscher Wehr am 9. und 10. November 1938 nichts zu finden. Auch im Gemeindearchiv oder im Gemeinde-An­zeiger müsse man zu den bei­den Tagen eher „Fehlanzeige" vermelden.

Teile des Mobiliars aus der Synagoge hätten sich später im Bach wiedergefunden. Bis heute erhalten seien lediglich, so Josef Bechler, das Harmonium (Orgel), das sich inzwischen im Besitz der Gemeinde befindet, sowie ein Gebetbuch und seit kurzem der Schal zu einem kirchlichen Gewand.

Schal, gefertigt aus einem kirchlichen Gewand
Schal, gefertigt aus einem kirchlichen Gewand

In seinem Bericht kommt Jo­sef Bechler zu dem Fazit, dass in Malsch die Bereitschaft zu antijüdischen Aktionen gering gewesen sei, sich aber auch der Widerstand in Grenzen gehal­ten habe.

 

Nachdem am 22. Oktober 1940 die letzten noch in Malsch wohn­haften 19 Juden in Konzentra­tionslager nach Gurs deportiert worden waren, meldete der Malscher Bürgermeister an den Landrat und die Gestapo, dass nun Malsch „judenfrei" sei - wobei, wie Josef Bechler sagte, das Wort judenfrei in der Mel­dung unterstrichen war.

 

Auch im Band 3 des von den Heimatfreunden herausgege­benen „Malscher Historischen Boten" über das Leben in der Gemeinde könne man nach­lesen, dass insgesamt 67 Mal­scher jüdischen Glaubens Op­fer des nationalsozialistischen Regimes geworden seien. Josef Bechler kommt zu dem Schluss, es dürfte nur wenige Landge­meinden in Deutschland gege­ben haben, die ähnliche jüdi­sche Opferzahlen zu beklagen hatten.

Er wolle, schloss Josef Bechler, mit seinem Vortrag einen Bei­trag dazu leisten, dass sich Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung ganzer Bevölke­rungsgruppen nicht mehr wie­derholen darf.

Zuvor hatte Bürgermeister EI­mar Himmel in Anwesenheit zahlreicher Bürger bereits am Gedenkstein der ehemaligen Malscher Synagoge im Hof des Anwesens Wickenhäuser (Sport-Haitz, Hauptstraße) ei­nen Kranz niedergelegt. 

Thomas Schönknecht


Synagogenbrand

Kranzniederlegung durch Bürgermeister Himmel am Gedenkstein
Kranzniederlegung durch Bürgermeister Himmel am Gedenkstein

Drei Minuten lang läuteten am Sonntag, 9. November 2008 um 19 Uhr die Glocken im Dekanat Karlsruhe. Andachtsvoll stehend erlebten auch die Menschen im voll besetzten Sitzungssaal des Malscher Rathauses diesen Moment der Besinnung und des Gedenkens an die Geschehnisse des 9. und 10. Novembers 1938. In der so genannten „Reichskristallnacht“ war es vor siebzig Jahren in ganz Deutschland zur Zerstörung von jüdischen Geschäften und Gotteshäusern gekommen, die die Nazi-Obrigkeit schließlich hatte in Brand stecken lassen. 

In einem ökumenischen Gottesdienst gedachten der katholische Pfarrer Thomas Dempfle und der evangelische Pfarrer Claudius Zeller der Opfer der Deportationen und der Vernichtung der jüdischen Mitbürger und thematisierten dabei die Sprachlosigkeit der Amtskirchen in dieser Zeit. Bürgermeister Himmel dankte den beiden Geistlichen für ihre offenen Worte und den bewegenden Gottesdienst. Er erinnert an die einstige, völlig selbstverständliche Verzahnung von jüdischem und nicht-jüdischem Leben in Deutschland und forderte als eine der Konsequenzen aus den Geschehnissen im Dritten Reich Toleranz und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.

Unter dem Titel „Die Zerstörung der Malscher Synagoge“ am 10. November 1938 hielt der Vorsitzende der Heimatfreunde, Josef Bechler, anschließend einen viel beachteten Vortrag über dieses traurige Kapitel lokaler Geschichte. Er stellte die Ereignisse vor Ort in Zusammenhang mit den nationalen Entwicklungen und beschrieb die Schuld, die die öffentliche Propaganda in Deutschland den Juden an Ereignissen wie dem 1. Weltkrieg oder der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zuwies. Bechler wies darauf hin, dass es in Malsch länger als anderswo gedauert habe, bevor jüdische Geschäfte boykottiert wurden. Am Beispiel der aus Malsch stammenden Familie von Leo und Lotte Gabel zeichnete er die Ereignisse nach, die im Oktober 1938 zur Ausweisung von in Deutschland lebenden Juden mit polnischem Pass geführt hatten. Von Josua, dem Sohn der beiden Malscher, der heute als Rabbi in Israel lebt, liegt Bechler ein umfangreicher Zeitzeugenbericht vor. Gabel beschreibt dort seinen abenteuerlichen Weg als Kind über die Niederlande und die Landung 1946 in Palästina. Der Verlust der Eltern, so Gabel, bedeute für ihn, der aus gesundheitlichen Gründen nicht hatte nach Malsch kommen können, bedeute noch heute eine klaffende Wunde für ihn. 

Inventar vor der zerstörten Synagoge
Inventar vor der zerstörten Synagoge

Die Malscher Synagoge wurde nach den Akten und Augenzeugenberichten, die Josef Bechler und die Heimatfreunde zusammengetragen haben, am Vormittag des 10. November 1938 von SA- und SS-Leuten aus Gaggenau zerstört und erst am Nachmittag angezündet. Thorarollen und andere sakrale Gegenstände wurden dabei ebenfalls vernichtet. Egon Grimm und Adolf Werner, damals Schüler, berichteten gegenüber den Heimatfreunden, dass an jenem Tag Malscher Schulklassen zur Synagoge geführt und zu Steinwürfen gegen das Gotteshaus angehalten wurden. Aus dem Bericht von Fred Loeb, Sohn des aus Malsch stammenden Artur Loeb, geht hervor, dass trotz vereinzelter „Juden raus“-Rufe der Antisemitismus in Malsch nicht besonders ausgeprägt war. Nachbarn boten Hilfe an, der damalige Feuerwehrkommandant Maisch verwahrte sich öffentlich gegen Aktionen der SA und SS.3

Bevölkerung vor der zerstörten Synagoge
Bevölkerung vor der zerstörten Synagoge

Der Wiederaufbau der abgebrannten Malscher Synagoge, die sich im hinteren Teil des Grundstücks der heutigen Hauptstraße 24 befand, wurde von den Behörden untersagt. In der Folge der „Reichskristallnacht“ wurde eine Reihe von Malscher Juden bis zu 44 Tage in Schutzhaft genommen, um nach ihrer Rückkehr unter dauerhafter Beobachtung der Behörden zu bleiben. Jüdische Bürger mussten Häuser und Grundstücke verkaufen, um ihren Anteil an der Geldbuße von einer Milliarde zu leisten, die die Regierung den Juden in Deutschland aufgebürdet hatte. Am 1. Januar 1939 habe es, so beendete Bechler seinen Vortrag, noch 69 Juden in Malsch gegeben. Mit der Deportation von 19 nach Gurs am 22. Oktober 1940 habe die jüdische Geschichte von Malsch geendet.

 

 

ts   Quelle: Gemeindeanzeiger Nr. 46/2008 vom 13.11.2008, S.