Vortrag "lange jüdische Vergangenheit"

Am 08.10.2008 hat Manfred Hennhöfer vom Generallandesarchiv einen Vortrag mit dem Titel „Lange jüdische Vergangenheit“ – Synagoge, Judenbad, jüdische Schule – gehalten. 

 

In seinem Bericht ging er auf die sehr alte jüdische Kulturgeschichte Süddeutschlands ebenso wie auf die frühe jüdische Geschichte in Malsch ein. Vermutlich kamen die ersten Juden nach der Zerstörung Jerusalems mit der 22. römischen Legion an den Rhein. Nachdem sie dort durch die Alemannen vertrieben wurden, begann eine sehr wechselvolle jüdische Besiedelungsgeschichte, die von Akzeptanz genauso wie von Verfolgungsmaßnahmen geprägt war.

Nachdem sie im Reich der Karolinger hohe Positionen erreichten und etliche Siedlungen gegründet hatten, kamen auch immer Übergriffe und Verfolgungsmaßnahmen vor. Zu den Zeiten der Kreuzzüge richteten die unter dem Grafen Emicho von Leiningen versammelten Kreuzritter unter der Judenschaft in blinder Wut und religiösen Wahn ein wahres Blutbad an. Dabei galt es den Kreuzrittern in erster Linie, den Tod Christi zu rächen. Mehr als 12000 Juden fanden dabei den Tod. Eine weitere große Verfolgungswelle kam in den Pestjahren vor. Im 14. Jahrhundert wurde allgemein behauptet, dass die Juden die Brunnen vergiftet hätten und dadurch den Ausbruch der Pest verschuldet hätten. Folge dieses Pestprogroms war, dass keine größere Judengemeinde mehr existierte. Tausende von Juden fanden allein in unseren Landstrichen den Tod durch Ermordung und Plünderung. Eine weitere schwerwiegende Folge war, dass die Juden zu dem sogenannten Schutzjudentum herabsanken. Das bedeutete, dass der jeweilige Landesfürst durch Erlasse und Verordnungen den Aufenthalt der Juden in einer Gemeinde regelte. Die Aufenthaltsgenehmigung schwankte in der Regel zwischen vier und zehn Jahren und war auch an eine Höchstzahl gebunden. In den badischen Markgrafschaften waren dies in der Regel drei Familien. Schätzungen zufolge lebten im Reichsgebiet ca., 12000 Juden. Hinzu kommen mindestens 2000 Juden des Prager Ghettos.

 

Von den Verwüstungen des 30jährigen Krieges waren Juden und Christen gleichermaßen betroffen. Nach den Zerstörungen des Krieges waren viele Landesfürsten wieder bereit, Juden aufzunehmen. Im heutigen Teil des Landkreises Karlsruhe, der zur Markgrafschaft Baden-Baden gehörte, durften Juden nach dem Krieg nur in Ettlingen und Malsch angesiedelt werden. Es kann aber angenommen werden, dass spätestens in den Jahren nach dem 30jährigen Krieg drei jüdische Familien in Malsch aufgenommen worden sind. Bereits 1715 waren es sechs Familien, deren Oberhäupter als Viehhändler, Metzger und Krämer ihren Lebensunterhalt verdienten. So kaufte die Gemeinde 1722 von dem Juden Abraham 200 Lattnägel für den Bau der Schule und Öl für einquartierte Soldaten. Diese Rechnung ist neben der von 1721 die zur Zeit älteste namentliche Unterlage für in Malsch ansässige Juden. 1737 sind in Malsch die Familien Abraham, Löw, Salomon, Coppel und des Abrahams Tochtermann bekannt. Die Gemeinde wehrte sich erfolgreich gegen den Zuzug weiterer jüdischer Familien. Trotzdem wurden bis zum Jahr 1759 zwei weitere Familien aufgenommen. Die jüdische Bevölkerung ging bis 1783 auf vier Familien zurück, stieg aber bis 108 an, nachdem fast alle Niederlassungsbeschränkungen aufgehoben worden waren. Bis 1875 schnallte die Zahl der jüdischen Einwohner auf 320 hoch, fiel dann bis 1900 auf 203 zurück. 1925 waren noch 101 und 1933 89 jüdische Personen in Malsch wohnhaft. Ebenso wie die Ettlinger gehörte die Malscher jüdische Gemeinde zum Bezirksrabbinat Bühl. Beerdigt wurden die Malscher Juden bis ins 20. Jahrhundert auf dem Kuppenheimer Verbandsfriedhof. 1868 wollte die israelitische Gemeinde einen Teil des Friedhofs für sich beanspruchen, dies lehnte die politische Gemeinde jedoch kategorisch ab.

 

Durch das 9. Konstitutionsedikt erhielt die jüdische Bevölkerung in Baden das Heimatrecht. Dieses Edikt brachte den Durchbruch der jüdischen Emanzipationspolitik. Die Juden konnten Besitz erwerben und wurden den badischen Bürgern gleichgestellt. Mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft ging die Erfüllung der Wehrpflicht einher. Diese Verpflichtung brachte für die Juden einige Probleme in der Beachtung des Sabbats und der jüdischen Feiertage einher.

Über das Erbauungsjahr der Malscher Synagoge liegen keine genauen Informationen vor. Sie soll jedoch zu einem Zeitraum errichtet worden sein, wo nur 14 jüdische Familien im Dorf lebten. Sicher ist, dass die jüdische Gemeinde 1810 ein Grundstück erworben hat, auf dem eine Schule erbaut werden sollte. Im jüdischen Ehebuch der Gemeinde Malsch ist am 22. Februar 1814 die Heirat eines Isaac Stern mit einer Regina Dreyfuß vermerkt, die in der dortigen Synagoge stattgefunden hat. Demnach wurde die Synagoge zwischen den Jahren 1810 und 1814 erbaut. Schon bald erwies sich die Synagoge als zu klein. Mehrere Umbauvorhaben scheiterten an der schlechten Finanzlage. Dringende Renovierungsarbeiten wurden aus diesem Grund ebenfalls zurückgestellt. Das Bezirksamt bemängelte z.B. das Fehlen einer Toilette, so dass die Synagogenbesucher ihre Notdurft im Freien abhalten mussten. 1856 beschloss der Synagogenrat eine neue Synagoge mit Schulhaus, Lehrerwohnung und Armenhaus zu erbauen. Das Vorhaben scheiterte erneut an der schlechten Finanzlage. Es wurde später mit der Renovierung begonnen, die 1896 abgeschlossen war. 1928 beantragte der Synagogenrat bei der Gemeinde für Renovierungsarbeiten einen Zuschuss. Da der Antrag abgelehnt wurde, mussten die notwendigsten Arbeiten auf Kosten der israelitischen Gemeinde durchgeführt werden.

Zu jeder Synagoge gehörte eine Mikwe – ein sogenanntes rituelles Tauchbad. Die erste Mikwe war bei dem israelitischen Gemeindeangehörigen Jakob Maier untergebracht. Da dieses Bad den strengen staatlichen hygienischen Vorschriften nicht genügte, musste sich der Synagogenrat mit Um- bzw. Neubauplänen befassen. Das Wasser in den Becken war derart verschmutzt, dass vom Baden ernste gesundheitliche Gefahren ausgingen. Außerdem gab es keine Möglichkeit, im Winter das eiskalte Wasser zu erwärmen. 1881 erwarb die israelitische Gemeinde das Wohnhaus Nr. 108 neben dem Ochsenwirt Hitscherich. Darauf wurde ein neues Kultusbad sowohl für Frauen und Männer errichtet.

 

In dem bereits genannten 9. Konstitutionsedikt ist auch der Schulbesuch der israelitischen Kinder geregelt. Darin heißt es „bis zur Errichtung eigener jüdischer Volksschulen müssen die schulpflichtigen Kinder die bereits bestehenden örtlichen Schulen besuchen.“ Der Synagogenrat beantrage 1872 wegen der stark zunehmenden Schuljugend, dass die Gemeinde eine israelitische Elementarschule bauen sollte. In den Schuljahren 1869/70 waren 50, im Schuljahr 1870/71 53 und 1872/73 bereits 63 jüdische Kinder schulpflichtig. Am 17. September 1872 erteilte der großherzogliche Oberschulrat seine Zustimmung. Im Dezember 1872 konnte der Amtsvorstand des Bezirksamtes Lump die neu gewählten Mitglieder des israelitischen Ortsschulrates begutachten. Der Unterricht der jüdischen Kinder wurde von 1873 bis zur Einführung der Simultanschule 1876 von dem jüdischen Lehrer Kahn abgehalten.

Interessant war auch ein Hinweis auf die sogenannte Judenwirtschaft zum „Rössl“, später in der Malscher Bevölkerung auch „Rebekka“ oder „Rehbiggs“ genannt. Der Name kommt von der ehemaligen Wirtin Rebekka Neuburger, die das im Jahre 1813 von David Neuburger gegründete Wirtshaus ab 1852 führte. 1882 schenkte die nunmehr als Witwe genannte Rebekka das Haus samt Wirtschaft ihrem Schwiegersohn Jakob Maier und dessen Ehefrau Sofie. Die Wirtschaft war unter der Einwohnerschaft sehr beliebt. Zu der Kundschaft gehörte der Dorflehrer, der praktische Arzt Martin, der Tierarzt Gaßner sowie Oberjäger Ecker. 1910 wurde die Wirtschaft abgerissen.